Warum veredeln?
Es gibt verschiedene Gründe, weshalb man sich bei einem Obstbaum zum Veredeln entschliesst, z.B. weil man
- besondere, z.B. alte Sorten erhalten will,
- mit der Sorte bzw. dem Ertrag des bestehenden Baums nicht glücklich ist
- oder weil das Wurzelsystem des Edelreises nicht zum Boden passt (kalkunverträglich, bevorzugt saure Böden, aber Standort ist basisch etc.), das Wurzelsystem des Edelreises krankheitsanfällig ist (z.B. fehlende Resistenz gegen Pilze) oder weil das Wurzelsystem des Edelreises von Natur aus zu schwach ist und mit einer anderen Unterlage die oberirdischen Pflanzenteile besser versorgt werden (= stärkerer Wuchs bzw. bessere Erträge).
Methoden
Es wird zwischen verschiedenen Veredlungsmethoden unterschieden, wobei alle grundsätzlich langfristig stabil sein können. Man spricht von Kopulation, Anplatten, Rinden-, Spalt- und Geissfusspfropfen sowie von Okulationen oder sogar Chipveredelungen (s.a. Links am Schluss).
Wir beschränken uns hier auf die Beschreibung des Rindenpfropfens, wobei der OBV das sog. "verbesserte" Rindenpfropfen praktiziert und empfiehlt. Es unterscheidet sich vom einfachen Rindenpfropfen einzig durch zusätzliche Schnitte am Edelreis bzw. dem nur einseitig gelösten Rindenflügel.
Wir beschränken uns hier auf die Beschreibung des Rindenpfropfens, wobei der OBV das sog. "verbesserte" Rindenpfropfen praktiziert und empfiehlt. Es unterscheidet sich vom einfachen Rindenpfropfen einzig durch zusätzliche Schnitte am Edelreis bzw. dem nur einseitig gelösten Rindenflügel.
Zeitpunkt für das Rindenpfropfen?
Beim sog. Rindenpfropfen wird das sich noch in Ruhe befindende Edelreis unter die Rinde der Unterlage gepfropft. Voraussetzung ist, dass sich die Rinde der Unterlage gut löst. Aus diesem Grund muss die Unterlage bereits "im Saft stehen". Die beste Zeit ist darum – selbstverständlich abhängig vom witterungsbedingten Stand der Vegetation – von ca. Anfang April bis Mitte Mai.
Rindenpfropfen – schrittweises Vorgehen
- Die Unterlage wird an der gewünschten Stelle (ein möglichst gerades Stamm- oder Aststück ohne alte Astabschnitte oder Knoten) senkrecht zu ihrer Längsachse abgesägt.
An Ästen sollte die Veredelungsstelle selbstredend nicht zu weit aussen, sondern relativ nahe am Stamm liegen. - Da der Sägeschnitt nicht sauber ist, sollte die Rinde (! nicht ins Holz!) mit einem Okulier- bzw. scharfen Messer an der Schnittkante rundum im 45°-Winkel sauber nach- resp. abgeschnitten werden.
- Bei grösseren "Pfropfköpfen" (>3 cm Durchmesser) können mehrere Reiser eingesetzt werden (etwa alle 3-5 cm). Mehrere Reiser auf dicker Grundlage vergrössern die Erfolgschancen und verhindern auch, dass die Unterlage stellenweise eventuell abstirbt. Zudem hat man den Vorteil, dass, falls alle austreiben, man sich später entscheiden kann, welchen Ast man stehen lassen bzw. welche man ggf. abschneiden will.
Auch auf dünneren Unterlagen/Ästen ist aber selbstverständlich ein Pfropfen mit nur 1 Edelreis möglich. Die Unterlage muss aber (deutlich) dicker als das Edelreis sein. - Dazu mit dem Okuliermesser an der Stelle, an der das Edelreis eingepfropft werden soll, die Rinde in Längsrichtung der Unterlage ca. 5 cm lang einschneiden.
- Die Rinde auf einer Seite des Schnitts mit dem weichen Messingteil (Grund: spitzige Messer verletzen viel zu leicht das Kambium unter der Rinde) des Okuliermessers sorgfältig lösen/anheben.
- Zusätzlich wird auf der anderen, nicht gelösten Seite des Schnitts ein kleines Dreieck aus der Rinde geschnitten. Hier soll das 1. Auge des Edelreises Platz finden.
- Das Edelreis mit mindestens drei gut entwickelten Augen wird mit dem scharfen Okuliermesser in einem Zug keilförmig geschnitten/zugespitzt, am besten so, dass
- die Schnittfläche ca. 4 cm lang ist,
- auf beiden Seiten auf das Mark (noch sichtbar)
- und sich am oberen Ende der Schnittfläche das 1. Auge befindet, das dann im ausgeschnittenen Dreieck Platz findet.
Dieses präzise Zuschneiden des Reises ist eine der schwierigsten Arbeitsschritte und benötigt etwas Übung. Am besten übt man vorher an Zweigen des abgeschnittenen Astes. - Nun wird das Edelreis von oben nach unten so weit hinter den gelösten Rindenflügel geschoben, dass vom Kopulationsschnitt noch einige Millimeter über der Schnittfläche zu sehen sind. Dadurch wird eine gute Wundheilung der Schnittfläche der Unterlage aus dem Kambium des Edelreises gewährleistet.
Nötigenfalls kann mit einem kleinen Hammer das Edelreis sanft eingeklopft werden. - Im nächsten Schritt wird die Veredelungsstelle luftdicht (das Wichtigste!) abgeschlossen. Der OBV verwendet und empfiehlt dazu die Verwendung von klarflüssigem Baumwachs. Dazu wird der seitliche Schnitt sowie die ganze Stirnseite der Unterlage vollständig und grosszügig mit Baumwachs überstrichen und das Baumwachs auch richtig in die Schnittstelle/Öffnungen gedrückt.
Kirsche weist eine dicke, steife Rinde auf. Der OBV nagelt (Trick) deshalb das angehobene Rindenstück mit einem Paschnagel (kurzer Stift, breiter Kopf) neben dem Edelreis wieder an und stellt damit zusätzlich sicher, dass die Rinde der Unterlage das Edelreis eng umschliesst. - Anschliessend wird die Veredelungsstelle straff und satt mit einem Malerabdeckband (Tesa-Band) umwickelt, damit die Rinde sich nicht löst und der enge Kontakt des Edelreises mit der Unterlage sichergestellt ist. Wichtig beim Einbinden ist, dass das Auge am Edelreis frei bleibt.
- Am Schluss wird das obere angeschnittene Ende des Edelreises fein (das heisst, das Edelreis sollte sich nicht mehr bewegen) mit einem Wundverschlussmittel verstrichen und abgeschlossen. Gut dafür eignet sich beispielsweise die Pinseltube "Lac Balsam" der Marke "Compo".
- FAZIT zum Abschluss:
Das A + O ist sorgfältiges Arbeiten und vor allem der luftdichte Abschluss der Verbindung zwischen Pfropf und Unterlage.
Beispiel / Bilder
Im vorliegenden Fall hat der OBV auf einem Herzkirschen-Baum (Unterlage) Edelreiser von 3 anderen Sorten Kirschen aufgepfropft, nämlich Kordia, Regina und Vanda.
Noch ein paar Worte zu den Edelreisern
Woher Edelreiser beschaffen?
Edelreiser bekommt man am ehesten bei (Obst-)Baumschulen. Hier kann man auch sicher sein, dass es sich wirklich um die gewünschte Sorte handelt. Selbstverständlich kann man auch Nachbarn, Bekannte und Verwandte fragen oder von seinem Lieblingsbaum selbst Reiser ernten.
Erntet man Edelreiser selbst, müssen diese für Veredelungen im Spätwinter bis Frühjahr in der Vegetationsruhe (Dezember – Januar) geschnitten und bis zur Veredlung dunkel, kühl und feucht gelagert werden.
Erntet man Edelreiser selbst, müssen diese für Veredelungen im Spätwinter bis Frühjahr in der Vegetationsruhe (Dezember – Januar) geschnitten und bis zur Veredlung dunkel, kühl und feucht gelagert werden.
Was ist ein gutes Edelreis
Die besten Edelreiser sind einjährige, gerade und kräftige (mindestens bleistiftdicke und 30-50 cm lange) Langtriebe, am besten an gut besonnter Lage gewachsen. Einjährige Triebe sind an den frischen Blattnarben zu erkennen und haben meist eine hellere Rinde als älteres Holz; ihre Internodien (die Abschnitte zwischen den Blättern) sind lang. Auf keinen Fall Fruchtholz, d.h. Fruchttriebe mit Blütenknospen als Edelreiser verwenden! Ebenfalls ungeeignet sind bereits angetriebene Reiser, da die Erfolgschancen, dass diese Reiser anwachsen, schlecht sind. Da vor allem Kirschenreiser bei zu warmer Lagerung sehr leicht antreiben, müssen sie sorgfältig kühl gelagert oder möglichst früh veredelt werden.
Aus einem 30-50 cm langen Langtrieb können mehrere Edelreiser geschnitten werden. Das zur Veredelung vorgesehene Edelreis sollte drei gut entwickelte Augen aufweisen.
Gewisse Quellen bezeichnen das untere und das mittlere Drittel eines Triebs als am besten für das Pfropfen geeignet: die Spitzen seien oft zu dünn, nicht so gut ausgereift und hätten nicht so viele Reservestoffe eingelagert, die das Edelreis bis zum Verwachsen mit der Unterlage versorgen müssen. Andere Quellen wiederum bezeichnen das Endstück des Triebs mit der Terminalknospe als den "Rolls Royce".
Aus einem 30-50 cm langen Langtrieb können mehrere Edelreiser geschnitten werden. Das zur Veredelung vorgesehene Edelreis sollte drei gut entwickelte Augen aufweisen.
Gewisse Quellen bezeichnen das untere und das mittlere Drittel eines Triebs als am besten für das Pfropfen geeignet: die Spitzen seien oft zu dünn, nicht so gut ausgereift und hätten nicht so viele Reservestoffe eingelagert, die das Edelreis bis zum Verwachsen mit der Unterlage versorgen müssen. Andere Quellen wiederum bezeichnen das Endstück des Triebs mit der Terminalknospe als den "Rolls Royce".
Weitergehende Informationen
Wer mehr über die Pflanzenveredelung und das Pfropfen wissen will, dem sei die Konsultation dieser Webseiten empfohlen:
- Youtube-Video: https://www.youtube.com/watch?v=-O2JYSQsofY
In diesem Video wird die Technik der Obstbaumveredelung in gewissen Details etwas anders, aber einfach erklärt. Die ersten gut 4 Min. (die Anfangswerbung kann man nach 5 Sek. überspringen) behandeln das Rindenpfropfen und ab 4:20 folgen Erläuterungen zur Geissfussveredelung. - Eine deutsche (aber die können bekanntlich auch was), sehr umfangreiche Seite "selbst veredeln" http://www.veredeln.info/ befasst sich ausführlich mit einer Beschreibung verschiedener Pfropfmethoden Rindenpfropfen - Veredeln.info.
- FRUCTUS, die Vereinigung zur Förderung alter Obstsorten, mit ein paar Informationen zum Veredeln (https://www.fructus.ch/baeume/veredeln/) sowie beispielsweise auch einer Liste von Baumschulen (https://www.fructus.ch/baeume/baumschulen/).
- Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Pflanzenveredelung